Graden oder nicht graden, das ist hier die Frage

Veröffentlicht am 22.02.2019

Auf der World Money Fair drehte sich eine Podiumsdiskussion um ein wichtiges Thema: Grading.

Von Sebastian Wieschowski
Numismatischer Fachautor

Manche sprechen in Verbindung mit dem „Third Party Grading“ von der Zukunft der Numismatik, während andere auf die Münzen in „Plastik“ schimpfen, welche zu einer unbekannten Nummer degradiert würden. Es gibt wohl kaum eine Innovation, welche innerhalb der deutschsprachigen Numismatik so leidenschaftlich diskutiert wird wie das „Third Party Grading“, also die Einstufung von Münzen durch professionelle und unabhängige Drittanbieter.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Grading zum Standard auf dem asiatischen und US-amerikanischen Markt etabliert und in Deutschland stehen die Dienstleistungen der Numismatic Guaranty Corporation (NGC) kurz vor dem ganz großen Durchbruch. Aber in manchen Ecken der numismatischen Fachwelt werden die Hartplastik-Halter und die numerischen Einstufungen auf Basis der Sheldon-Skala noch nicht akzeptiert.

Auf der World Money Fair, die vom 1. bis 3. Februar 2019 in Berlin stattfand, kamen nun Befürworter und Kritiker des „Third Party Grading“ zusammen, um ihre Meinung auszutauschen. Die Messeveranstalter wollten das weltweit wichtigste Event der Numismatik verstärkt zu einem Diskussionsforum für Sammler, Anleger und Händler ausbauen. Aus diesem Grund wurde in Zusammenarbeit mit NGC eine Podiumsdiskussion eingerichtet. Und wie die fünf Diskutanten zu Beginn deutlich machten, verläuft die verhärtete Front exakt durch die Sprachgrenze zwischen dem deutschen und dem englischsprachigen Markt.

Münzexperten nahmen an der Diskussion über Third Party Grading im Rahmen der World Money Fair in Berlin im Februar 2019 teil.

Michael Chou (Inhaber des Auktionshauses „Champion Auction“) sowie Sam Spiegel (Director of International Numismatics beim US-amerikanischen Auktionshaus „Heritage Auctions“) sprachen sich klar für das Third Party Grading aus. Arne Kirsch (Präsident des internationalen Münzhändlerverbandes IAPN/AINP), Christoph Raab (Geschäftsführer der traditionsreichen Münzhandlung Dr. Busso Peus Nachf.) und Marius Haldimann (Leiter der Schweizer Prägestätte „Swissmint“) machten dagegen ihre Ablehnung deutlich.

In der darauf folgenden Diskussion erhielten die Zuschauer einen kompakten Überblick über mögliche Vorteile sowie Kritikpunkte rund um das Thema „Third Party Grading“: Michael Chou machte als Kenner des asiatischen Marktes deutlich, dass es in Asien einen dringenden Bedarf nach einer unabhängigen Meinung gäbe: „Dort gibt es so viele Fälschungen, dass viele Sammler früher oder später aufgeben“. Chou machte deutlich, dass eine „rohe“ Münze auf dem asiatischen Markt so gut wie unverkäuflich sei, weil der potenzielle Käufer sich augenblicklich fragen würde, was mit der Münze nicht in Ordnung sei, wenn sie kein Grading habe. „Ich habe vor einigen Jahren eine Münze für 500.000 Dollar roh in Deutschland gekauft, das würde heute nicht mehr passieren“, sagte Chou.

Die Diskutanten zeigten durchweg Verständnis für die Notwendigkeit eines Schutzes gegen Fälschungen auf dem asiatischen Markt. Allerdings wurde im weiteren Diskussionsverlauf deutlich, wie emotionsgeladen das Thema „Third Party Grading“ in Deutschland ist. So stellte beispielsweise Christoph Raab klar: „Wenn ich die Münze nicht anfassen kann, kann ich keine Leidenschaft entwickeln“. Für ihn sei eine Münze im Halter regelrecht „tot“, lediglich ein Objekt mit einer Nummer. „Da ist etwas drin, was einen Wert haben soll. Da kann ich keinen Enthusiasmus für entwickeln“, bekannte Raab.

Auch Sam Spiegel, Leiter der internationalen Numismatik-Abteilung des Auktionshauses Heritage, hob in seinem Statement die Bedeutung der Authentifizierung im Rahmen des Grading-Prozesses hervor. Er wies zudem auf einen weiteren Vorteil des „Third Party Grading“ hin: Die unparteiische Meinung zu einer Münze helfe sowohl den Händlern als auch den Sammlern, denn sie sorge für Transparenz. So mache beispielsweise ein „Details“-Grading einen Mangel unmissverständlich deutlich, während dieser im deutschen System der Erhaltungsgrade durchaus übersehen und nicht akkurat dokumentiert werden könne. Grading gibt laut Sam Spiegel dem Sammler eine höhere Sicherheit und verhindert, dass sich Sammler vom Markt zurückziehen.

Die deutschen Händler warben dennoch leidenschaftlich für die Selbstverpflichtungen ihrer Branche. So bezeichnete Arne Kirsch die Garantie der AINP-Mitglieder, welche uneingeschränkt haften, „solange sie leben“, als „besser als alles andere im Münzengeschäft“. Er und sein deutscher Händlerkollege Christoph Raab vertraten den Standpunkt, dass es eigentlich keine Notwendigkeit für die Dienstleistungen von Unternehmen wie NGC auf dem deutschen Markt gäbe, da die Angehörigen der Händlerverbände bereits weit reichende Garantien gäben.

Allerdings wurde im Rahmen der Diskussion deutlich, dass hier je nach Zugehörigkeit zu einem der verschiedenen Verbände durchaus unterschiedliche Regelungen bestünden. Zudem kam Widerspruch von Sam Spiegel, der darauf hinwies, dass die Garantien von Grading-Dienstleistern wie NGC nicht an die Lebenszeit eines Händlers gebunden seien. Er unterstrich, dass Grading-Dienste die Hürde für neue Sammler deutlich senken würden: „Mehr Sammler kommen in den Markt, wir machen alle mehr Geld und sind am Ende des Tages alle glücklich“.

So sei ein Gutachten der AINP oder eines vereidigten Sachverständigen in Deutschland ist für normale Sammler sehr teuer, während die Grading-Gebühren bei Anbietern wie NGC deutlich niedriger seien.

Neben der Echtheitsprüfung stellten Sam Spiegel und Michael Chou einen weiteren Vorteil des Third Party Grading heraus: Chou vertrat die Meinung, dass sich Händler üblicherweise mit der Echtheit der angebotenen Stücke gut auskennen würden, im Hinblick auf die Erhaltungseinstufung hätten die Grading-Unternehmen jedoch die Nase vorn: „Die Grader sehen zehntausende Münzen im Jahr“, erklärte Chou und wies darauf hin, dass in Asien die meisten Auktionsteilnehmer nicht akzeptieren würden, wenn die Auktionshäuser ihre eigenen Münzen einstufen.

„Unsere Kunden wollen eine unabhängige Meinung, weil immer der Verdacht besteht, dass Auktionshäuser durchaus dazu tendieren könnten, den Erhaltungsgrad ihrer Ware zu übertreiben“, merkte Michael Chou an.

Hier widersprach Arne Kirsch energisch - deutsche Auktionshäuser würden stets die Stücke so beschreiben, wie sie seien. Er räumte ein, dass es durchaus möglich sei, für Münzen aus dem 19. und 20. Jahrhundert einen international anerkannten Standard zu entwickeln, bei Münzen aus dem Mittelalter oder der Antike spiele aber die Erfahrung des Händlers eine zentrale Rolle.

Christoph Raab ergänzte, dass er bei Münzen im Hartplastikhalter sein Handwerk und Fachwissen zur Fälschungserkennung nicht anwenden könne - also beispielsweise die Untersuchung des Randes, des Klanges, des Gewichtes.

Sam Spiegel machte daraufhin deutlich, dass dies überhaupt nicht nötig sei, denn die Garantie der Echtheit werde durch den Grading-Dienstleister sichergestellt. Das Grading bedeute auch für Händler eine Erleichterung und befreie von dem das Problem der Haftung für den seltenen Fall, dass eine gefälschte Münze nicht rechtzeitig erkannt wurde.

Obwohl die Diskutanten keine Einigkeit erzielen konnten, zeigten die deutschen und schweizerischen Vertreter durchaus Verständnis für gewisse Aspekte des Grading. Und die Befürworter machten deutlich, dass sie die Vorbehalte ihrer Kollegen ernst nehmen. Man war sich einig, dass mehr Hintergrundwissen über den Prozess und die Vorteile des Grading sowie ein ständiger Meinungsaustausch erforderlich sind. Die Diskussion hat auch deutlich gemacht, dass beide Seiten eine gemeinsame Leidenschaft haben: die Leidenschaft für außergewöhnliche numismatische Raritäten.

Sebastian Wieschowski arbeitet seit 2007 als Autor mit Fokus auf Münzen und Edelmetalle. Seine Artikel sind in Fachzeitschriften wie MünzenRevue, MoneyTrend, Coin World sowie dem Journal of East Asian Numismatics erschienen. Er ist Autor vom Bullion Buch sowie dem Schwarzbuch Münzfälschungen und Absolvent der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft.

Dies ist ein Gastartikel. Die Gedanken und Meinungen in diesem Text spiegeln den Standpunkt des Autors wieder und müssen nicht zwangsläufig mit der Position der Certified Collectibles Group übereinstimmen.


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